Seltene Rezitationen des Qur'an & die Lügen der Orientalisten (Ausschnitt aus Mufti Taqi Usmanis 'Ulum ul-Qur'an)


Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen!
Übersetzung von Dr. Muhammad Swaleh Siddiqui, veröffentlicht unter dem Titel „An Approach to Qur’anic Sciences“, Darul Isha’at Karachi 2000. Transkription ins elektronische Format und Verbesserung der Fehler in der Übersetzung durch Waqar Akbar Cheema. Übersetzt und angepasst ins Deutsche durch Khalid abdul-Musawwir.
Danke an: www.letmeturnthetables.com
Vorwurf
Einige Orientalisten machen aus einer Mücke einen Elefanten, indem sie falsche Vermutungen auf Grundlage seltener Rezitationen des Qur’an aufstellen. Insbesondere haben Goldziher und Jeffery etliche Beispiele dieser Rezitierungen zitiert und anhand derer selbst ausgedachte Schlussfolgerungen aufgestellt.[1] In diesen Seiten ist es nicht möglich, all diese Beispiele zu präsentieren und die Wahrheit hinsichtlich derer aufzudecken. Für diese Aufgabe bräuchte man ein eigenständiges Buch.[2] Ebenso denken wir, dass dies unnötig wäre. Jedoch wünschen wir uns, einige fundamentale Fakten über die seltenen Rezitationen zu erwähnen und wir hoffen, dass diese bei unserer Analyse die Leser zum Verständnis über unsere Verwerfung der falschen Behauptungen der Orientalisten, die sie über die seltenen Rezitationen aufgestellt haben, verleiten wird.
Wir haben vorher schon erwähnt, dass sich die Muslime in ihrem Verständnis einig sind, dass nur solche Rezitationen des Qur’an vertrauenswürdig sind, die die folgenden drei Voraussetzungen erfüllen:
1. Die bestimmten Rezitationen sind mit dem ’uthmanischen Skript vereinbar.
2. Sie soll den Regeln der arabischen Grammatik vereinbar sein.
3. Sie muss den Beweis einer authentischen, ungebrochenen Überlieferung haben, die auf den Propheten Muhammad zurückgeht oder sie muss zumindest unter den Gelehrten der Rezitierungen gängig sein.
Jedwede Rezitierung, an der es an eines dieser drei Bedingungen fehlt, wird als „seltene Rezitierung“ bezeichnet und niemand aus der Gesamtheit der Ummah nahm sie als vertrauenswürdig an. Ein detaillierterer Einblick hinsichtlich den „seltenen Rezitierungen“ offenbart, dass sie einen oder mehrere der folgenden Defekte beinhalten:
1. Manchmal wurde diese Rezitierung total erfunden, so wie es z.B. bei denen des Abdul Fadl Muhammad bin Ja’far Khuza’I der Fall war, sodass dieser diese Imam Abu Hanifa zuschrieb. Darqutni und alle anderen Gelehrten haben diese entlarvt und erklärt, dass sie alle erfunden wurden.[3]
2. Manchmal haben sie sehr schwache Präzedenzfälle, so wie die Rezitierungen des Ibn-us-Samifa und Abdus Samal oder mehrere dieser Rezitierungen, welche Ibn Abi Dawud verschiedenen Gefährten und ihren Befolgern in seinem Kitab-ul-Masahif zuschrieb.[4]
3. Manchmal ist der Präzedenzfall korrekt, aber dieser ist nicht die Rezitation des Qur’an, sondern Gefährte oder seine Befolger fügten während ihren gewöhnlichen Reden als Erklärung zu irgendwelchen Wörtern des Qur’an ein oder mehrere Wörter hinzu. Da der Qur’an als Ganzes ununterbrochen ist und tausende Huffaz in jeder Zeitperiode anwesend waren, entstand keine Gefahr jeglicher Hinzufügung hinsichtlich des originalen Textes, die von erklärenden Worten hinzugefügt werden könnten.[5] Solche Erklärungen wurden ebenso keineswegs als verwerflich angesehen. Zum Beispiel wird überliefert [6], dass Sa’ad bin Abi Waqqas einen Vers (Qur’an 4:12) wie folgt laß:
وله أخ أو أخت من أم
Hier sind die Worte من أم erklärende Hinzufügungen. Ähnlicherweise wird überliefert [7], dass Sayyidina ‘Uthman einen Vers (Qur’an 3:104) mal so rezitierte:
ولتكن منكم أمة يدعون إلى الخير ويأمرون بالمعروف وينهون عن المنكر ، ويستعينون الله على ما أصابهم وأولئك هم المفلحون
In dieser Aussage ist ويستعينون الله على ما أصابهم eine exegetische Hinzufügung, denn wenn sie Teil des Qur’an auf Grundlage der ’uthmanischen Rezitation gewesen wäre, so müsste diese Hinzufügung in Transkriptionen, die er selbst zusammenstellte, vorgefunden werden. Jedoch kann man diese Phrase in keines seiner sieben Tranksriptionen vorfinden.
Es gibt viele weitere solcher Beispiele, die in seltenen Rezitationen gefunden werden können.
4. Manchmal geschah es, dass bestimmte Rezitierungen in den letzten Tagen des Lebens des Propheten abrogiert wurden, jedoch waren sich einige Gefährten, die diese so gelernt hatten, dieser Tatsache nicht bewusst, sodass dieser dann so rezitierte, wie er es gelernt hatte. [8]  Weil die anderen Gefährten wussten, dass dies abrogiert wurde, haben sie dies nicht so rezitiert und sie haben diese Rezitierung auch nicht mehr als eine richtige angenommen.
5. Manchmal erkennt man an den seltenen Rezitationen, dass vermutlich einige Befolger der Gefährten ein Versehen in der Rezitation des Qur’an machten, was natürlich nicht deren Intention war (so ist es manchmal auch sogar bei ausgezeichneten Huffaz der Fall) und  der Zuhörer überlieferte diese so, wie er sie hörte.[9]
Was auch immer an „seltenen Rezitationen“ des Qur’an überliefert wurden; die meisten sind unter einen der fünf Fälle zuzuordnen. Es ist offensichtlich, dass es keiner Diskussion genügt, diese Rezitierungen als vertrauenswürdig zu akzeptieren. Folglich verließ sich die gesamte Ummah niemals auf diese – egal in welchem Zeitalter. Das ist auch der Grund, wieso diese Rezitierungen nicht an Popularität gewannen, abgesehen davon, dass wir die Tatsache auslassen, dass sie nicht ununterbrochen sind. Somit erkennen wir klar und deutlich, dass die Schlussfolgerungen, die die Orientalisten hinsichtlich der „seltenen Rezitierungen“ aufstellen, undzwar dass (Gott bewahre) Differenzen des qur’anischen Textes existieren sollen, sehr unbegründet sind und eine absurde Vorstellung darstellen, sodass diese – aus der wissenschaftlichen sowie analytischen Perspektive aus gesehen – überhaupt keiner Überlegung Wert ist.
Und Allah weiß es am besten!
Bemerkung: Ebenso wäre es nutzvoll, einen Kapitel aus Muhammad Mustafa Al-Azamis gewaltigen Werk „History of the Qur'anic Text from Revelation to Compilation“ zu lesen. HIER kann man das Buch herunterladen und das 11. Kapitel lesen: Causes of Variant Readings, d.h. S. 151-164
Referenzen und Anmerkungen
[1] Madhahib Tafsir Al-islami von Goldziher und Arthur Jefferys „Materials for the History of the text of the Quran“, Leiden 1936, S. 6, Arabische Transliteration von Dr. Abdul Halim Najjar.
[2] Dr. Abdul Halim Najjar hat in seiner Übersetzung des Madhahib Tafsir Al-Islami von Goldziher kurze, jedoch nutzvolle knappe Bemerkungen hinzugefügt.
[3] Al-Nashr fi Qira’at Al-‘Ashr von Ibn Al Jazari, Band 1, S. 16, Al-Ittiqan, Band 1, S. 78-79
[4] Al-Nashr Band 1, S. 16
[5] Al-Nashr Band 1, S. 31-32, Al-Ittiqan Band 1, Abschnitt 22-27, Sharah Muwatta von Zurqani Band 1, S. 225
[6] Durr Manthur 3/51 Cf. Ibn Jarir, Darimi, Sa’id bin Mansur, Baihaqi etc.
[7] Kanzul Ummal 2/598 Hadith 4825 Cf. Abd bin Hamid, Ibn Jarir etc.
[8] Mushkil Al-Athar von At-Tahawi. Band 4, S. 196-202
[9] Al-Nashr, Band 1, S. 16, Al-Mabani fi Nazmul Ma’ni: Muqaddimatan fi ‘Ulum al-Qur’an, S. 170, Al-Khanji Press 1954


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